Microsoft Copilot – bereit für den Mittelstand?

“Wir machen jetzt auch was mit KI!“

Alles hat oder ist KI und jedes Unternehmen, in dem nicht auch der letzte Prozess mit KI optimiert ist, hat bestimmt den Anschluss am Markt verloren. Oder?

Künstliche Intelligenz hat bereits seit Jahren gerade im Bereich der maschinellen Automatisierung und Datenanalyse seinen wohlverdienten Platz in mittelständischen Unternehmen. Mit Lösungen wie ChatGPT und Microsoft Copilot ist KI seit einiger Zeit jedoch auch für den „normalen Büromitarbeiter“ das große Thema, um Produktivität und Effizienz zu steigern. Viele eigentlich produktorientierte Unternehmen stehen hiermit vor einem Dilemma:

Lohnt es sich, auch wenn man nicht das Budget eines Großkonzerns mitbringt, in eine allgemeine KI-Lösung für Olaf im Vertrieb, Jens am Empfang und Susanne im Marketing zu investieren, um ihre Produktivität zu steigern?

Mit Microsoft Copilot ist ein starker neuer Akteur eines vertrauensvollen Anbieters auf dem Markt vertreten, der in vielen Unternehmen für Aufsehen sorgt. Die zentrale Frage lautet trotzdem: Ist Copilot bereit für eine breite Anwendung?

In diesem Artikel geben wir einen Überblick, was für Copilot-Versionen angeboten werden, wie die Technologie funktioniert und untersuchen den aktuellen Stand der Implementierung. Basierend auf Rückmeldungen aus verschiedenen Industriebranchen bewerten wir den Nutzen von Copilot 365 im Vergleich zu den steigenden Erwartungen.

Microsoft Copilot und seine Funktionen

Worum geht es?

Wenn man über Microsoft Copilot spricht, ist es wichtig, die verschiedenen Versionen zu verstehen, da sie oft verwechselt werden. Der Begriff „Copilot“ dient als Oberbegriff für verschiedene Microsoft-Produkte, die generative KI-Technologie auf der Grundlage der GPT-Modelle von OpenAI in verschiedenen Microsoft-Anwendungen nutzen. Zentral sind dabei Copilot 365, Copilot Pro und Copilot Free.

Copilot für Microsoft 365:

Für größere Unternehmen bietet Copilot für Microsoft 365 eine umfassende Integration in alle Microsoft-Anwendungen, die 28,10 € pro Nutzer und Monat kostet. Diese, seit September 2023 verfügbare Lösung, ermöglicht die Nutzung von KI in allen Office-Anwendungen inklusive Microsoft Teams und nutzt zudem das kollektive Wissen der Organisation. Dadurch können Fragen beantwortet, Texte generiert und individuelle Arbeitsabläufe optimiert werden. Dies geschieht nicht nur durch klassische generative KI, sondern auch durch den Zugriff auf das gesamte Wissen, das dem Nutzer in der Organisation zur Verfügung steht. Zu beachten ist jedoch, dass dies Datenschutz- und Sicherheitsbedenken aufwerfen kann. Kritisch ist dabei das Zurückgreifen auf intern gespeicherte, sensible Kunden- und Produktinformationen. Diese Informationen könnten intransparent oder nicht nachvollziehbar zur Generierung neuer Inhalte verwendet werden, was potenziell Wettbewerbsvorteile gefährden kann – das klassische „ich wusste nicht, dass die Info aus einem vertraulichen Dokument kam“-Dilemma.

Copilot Pro:

Copilot Pro, seit Anfang 2024 verfügbar, ist ideal für Unternehmen, die ihren Mitarbeitern generative KI in Office anbieten möchten und eine etwas günstigere Lösung suchen. Diese Version steigert über typische KI Use-Cases hinaus auch die Produktivität in den Office-Anwendungen (außer Microsoft Teams), ohne dass dabei eine Verknüpfung mit den Nutzer- oder Unternehmensdaten besteht. Besonders die Verfügbarkeit direkt in Outlook, Word, PowerPoint und Excel statt einem externen Tool vereinfacht die regelmäßige Nutzung. Copilot Pro bietet jedoch nur „kommerziellen Datenschutz“ statt „Datenschutz auf Unternehmensniveau“ – was das genau für sie bedeutet, sollte von Unternehmen im DACh-Bereich immer im Kontext der eigenen DSGVO-Audits und ISO-Zertifizierungen evaluiert werden. Der Preis liegt mit 22,00 € pro Benutzer und Monat etwas unter dem von Copilot 365.

Copilot Free Version:

Copilot Free (früher Bing Chat Enterprise) bietet im Kern den Zugang zu generativer KI sowie zur Suche im Internet. Die Version nutzt das neueste GPT-Modell, ist kostenlos und steht allen Microsoft Nutzern zur Verfügung – allerdings mit begrenzten Anfragen und Funktionen. Copilot Free hat keine Integration mit Office und wird stattdessen als „Side Panel“ über einen Klick in der Taskleiste geöffnet. Microsoft verfolgt damit die Strategie, Googles Dominanz im Suchbereich zu brechen, indem sie KI-gestützte Suchfunktionen direkt am Desktop anbietet. Diese Version richtet sich an Nutzer, die die KI-Integration mit gewissen Einschränkungen, aber ohne Kosten testen wollen, und dürfte bei der breiten Bevölkerung am stärksten vertreten sein.

(Quelle:Microsoft Copilot | Microsoft KI ; Quelle: Ausweitung von Copilot für Microsoft 365 auf Unternehmen jeder Größe | Microsoft 365 Blog)https://www.microsoft.com/en-us/microsoft-365/blog/2024/01/15/expanding-copilot-for-microsoft-365-to-businesses-of-all-sizes/https://www.microsoft.com/de-de/microsoft-copilot?market=de))

Wie funktioniert Copilot für 365? 

(Quelle:Übersicht Microsoft Copilot für Microsoft 365 | Microsoft Learn)

Copilot agiert wie ein Dirigent, der Microsoft 365-Anwendungen mit Microsoft Graph und einem umfangreichen Sprachmodell verbindet. Microsoft Graph stellt eine zentrale Wissensdatenbank des Unternehmens bereit, die von Copilot genutzt werden kann. Das Sprachmodell nutzt dieses Wissen, um benutzerspezifische Unterstützung innerhalb der Microsoft 365-Anwendungen zu bieten. Diese Integration ermöglicht einen nahtlosen Arbeitsprozess, bei dem die bisher auf einzelne Anwendungen beschränkte Arbeit durch organisatorisches Wissen ergänzt und von einer leistungsstarken KI verarbeitet wird. Das komplexe System kombiniert die Vorteile der einzelnen Elemente und schafft so einen effizienteren und intelligenteren Arbeitsablauf.
Versucht ein Mitarbeiter beispielsweise eine Frage zu einem bestimmten Kunden zu beantworten, kann auf Informationen aus der E-Mail-Historie, Teams-Besprechungen und abgelegten Dokumenten gleichzeitig zurückgegriffen werden, das Sprachmodell nutzt diese Informationen dann, um die spezifische Frage zu beantworten.

Wie Copilot 365 Nutzer produktiver macht

Ein anschauliches Beispiel für den Nutzen von KI-Produktivitätslösungen liefert die Einführung von Copilot 365 bei Dentsu, einer der weltweit größten Kreativagenturen.
Im August 2023 führte Dentsu Microsoft 365 Copilot bei einer Gruppe von 300 Nutzern ein, um die Auswirkungen des Tools auf Arbeitspraktiken und Technologieanwendung zu messen. Die Studie ergab, dass 79 % der Teilnehmer positiv auf das Tool reagierten, und 66 % nutzten routinemäßig KI-Unterstützung für Aufgaben wie die Erstellung von Zusammenfassungen und das Verfassen von Nachrichten. Dies ermöglichte es ihnen, mehr Zeit auf strategische Ziele zu verwenden, was unmittelbar die Produktivität steigerte.

Neben individuellen Effizienzsteigerungen verbesserte die Integration von Copilot auch die globale Kommunikation und den Wissensaustausch innerhalb des Unternehmens. Zu den wichtigsten Anwendungen gehörten:

  • Schreiben von Besprechungsnotizen (88 %)
  • E-Mails (48 %)
  • Teilnahme an Team-Chats (43 %)
  • Verfassen von E-Mails in Outlook (42 %)
  • Recherchen (34 %)
  • Gestaltung von PowerPoint-Folien und -Inhalten (33 %)

Ein wesentlicher Vorteil war die Zeitersparnis: 71 % der Nutzer gaben an, durchschnittlich 15-30 Minuten pro Tag einzusparen – eine Zeitersparnis von 3-6 %. Die beobachtete Auswirkung war jedoch geringer als erwartet, was darauf hindeutet, dass die Benutzer die Möglichkeiten von Copilot in ihren Arbeitsabläufen möglicherweise nicht vollständig genutzt haben. Diese Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit umfassender Benutzerschulung und -einbindung, um das volle Potenzial von KI-Tools wie Copilot zur Steigerung der organisatorischen Effizienz und Produktivität auszuschöpfen.

(Quelle: 2.500% ROI von Microsoft Office AI Copilot (uxtigers.com))

Der Nutzen von generativer KI aus Unternehmenssicht

Laut Gartner Inc., einem der weltweit führenden Marktforschungs- und Analyseunternehmen, konnten in Q4 2023 nur 8 % des Managements von besonders stark wachsenden Unternehmen tatsächlich sichtbare Ergebnisse durch die Einführung von generativer KI in ihrer Belegschaft wahrnehmen. Auch im Sommer 2024 waren nur 31 % der befragten CIOs zufrieden mit ihren Erfahrungen bei der Implementierung, 28 % bewerteten sie sogar als eher schlecht oder schlecht. Spezifisch auf allgemeine KI-Produktivitätsassistenten wie Copilot bezogen, wurden zudem IT-Führungskräfte befragt, wie sie zu den riesigen Erwartungen an diese Lösungen stehen: 7 % sahen die Erwartungen als bereits erfüllt, 62 % zeigten Hoffnung, dass sie in der Zukunft erfüllt werden könnten, 30 % jedoch gaben an, keine Indizien dafür zu haben, dass die Erwartungen zukünftig erfüllt werden können.

Dies deutet bereits auf mehrere wichtige Punkte hin, die auch wir in Gesprächen mit Kunden häufig hören:

  • Der Markt ist zwiegespalten – ein ganz anderes Bild als der FOMO-KI-Hype oftmals vermittelt („Fear of missing out“ – Angst zu verpassen)
  • Die Erwartungen an generative KI sind wahnsinnig hoch und nur schwer vereinbar mit dem, was die Produkte aktuell realistisch leisten können
  • Möglicherweise ist es notwendig, nicht nur allgemeine generative KI in den Einsatz zu bringen, sondern Lösungen an den Zeitfressern der Mitarbeiter auszurichten, um echte Produktivitätsgewinne zu erzielen
(Quelle: Gartner, Inc., Executive Pulse: Is Generative AI Meeting Expectations?, Steve Shapiro, 30.08.2024)

Copilot im eigenen Unternehmen: Was funktioniert? Was (noch) nicht?

Feedback unserer Kunden

Wir haben zahlreiche Unternehmen und führende Unternehmensberatungen zur Diskussion der neuesten Technologien und ihrer spezifischen Anwendungsfälle konsultiert. Mitarbeiter in Beratungen haben tendenziell besonders hohe Ansprüche an Effizienz und Usability und sind damit oft die ersten, aber auch die kritischsten bei neuer Technologie. Basierend auf diesen Gesprächen haben wir die wichtigsten Argumente für und gegen Microsoft Copilot zusammengefasst, wobei es sich natürlich um eine Momentaufnahme handelt:

Hier erledigt Copilot seinen Job gut:

  • Textverarbeitung: Formulierung und Umformulierung von Textinhalten, sei es auf der Grundlage von E-Mail-Konversationen, Sitzungsnotizen oder Stichworten
  • Ideenfindung: Brainstorming von Ideen, Aufstellung von Hypothesen zur Lösung von Kundenproblemen oder Auswahl der richtigen Methode zur Durchführung eines Workshops
  • Effizienz von Besprechungen: Transkription von Microsoft Teams Meetings
  • Wissenssuche: Neue effiziente Methode zum Auffinden relevanter interner Dokumente mit Microsoft Graph
  • Excel-Hilfe: Hilfestellung zur effizienteren Arbeit in Excel – Erstellung einer komplexeren Excel-Formel oder eines Makros
  • Bequemlichkeit: Nahtlose Integration in die Office 365-Arbeitsumgebung
  • Compliance: Datensicherheit, Datenschutz und effiziente Rechteverwaltung auf Unternehmensebene

Hier erledigt Copilot seinen Job (noch) nicht so gut:

  • Undurchsichtigkeit der Use-Cases: Mangelnde Transparenz darüber, was Copilot kann und was nicht – hoher individueller Aufwand für jeden Mitarbeiter, dies selbst herauszufinden
  • Prompting: Erfordert Verbesserung der eigenen Prompting-Kompetenz, um nutzbare Ergebnisse zu erhalten, was oftmals noch keine Abdeckung in der Personalentwicklung findet
  • Wissenbeschränkung: Indizierung von Informationen in der Wissensbasis nur aus den letzten sechs Monaten – Einschränkung der Inhalte oder manueller Aufwand zur Re-Integration
  • Analytische Leistung: Nur eingeschränkte Anwendungsfälle für die Arbeit mit und die Analyse von Daten in Excel
  • PowerPoint-Anforderungen: Nicht hilfreich, wenn es um die Erstellung und Anpassung von professionellen Präsentationen geht
  • Begrenzung der Dateigröße: Ein Limit von 20.000 Zeichen für die Dokumentenanalyse erschwert die Bearbeitung größerer Dokumente
  • Kosten und ROI: Wahrgenommene hohe Kosten pro Nutzer in Verbindung mit fehlender Transparenz der Produktivitätsgewinne erschweren Budgetfreigaben, insbesondere während der der aktuellen Investitionszurückhaltung

Was sollte ich rein organisatorisch vorab bedenken?

  1.  Den eigenen Beitrag zu Compliance & Datensicherheit nicht vergessen: Copilot 365 nutzt ein komplexes System bestehender und neuer Microsoft Technologien, die aktiv evaluiert und langfristig gemanaged werden müssen, um Datenschutzrichtlinien einzuhalten und den Überblick über die eigenen Daten nicht zu verlieren. Über Copilot zu fragen und eine Antwort zu bekommen, die man nicht wissen sollte, ist deutlich leichter, als ein falsch abgelegtes Dokument in den Tiefen von Sharepoint zu finden.
  2. Pilotgruppen für erste Tests gut reflektieren und unterstützen: Um sicher zu gehen, dass man in einem möglichen späteren Roll-Out nicht von A. zusätzlichen Anforderungen an Schulungen oder B. Vetos einzelner Abteilungen (z. B. HR, IT-Sicherheit) überrascht wird, sollten Pilotgruppen A. verschiedene Mitarbeitertypen repräsentieren (z. B. auch wenig technisch affin) und B. alle relevanten Abteilungen abdecken – nicht nur jene, die die KI nutzen sollen.
  3. Vor dem Start von Tests Ziele & Metriken definieren: Welche konkrete Use-Cases gibt es für jede Rolle / Abteilung, die getestet werden sollen? Wie häufig wurde die KI dann tatsächlich im Alltag dafür genutzt, sodass wie viel Ressourcen jeweils gespart werden konnten? Nur so ist es möglich zu identifizieren, wo echter Impact gestiftet werden konnte und ob damit die Investition gerechtfertigt werden kann. Im Zweifelsfall sollten besser KI-Tools genutzt werden, die Nutzungsanalysen ermöglichen.

Schlussfolgerung:

Generative KI im Berufsleben eines jeden Mitarbeiters ist wie der Anbruch eines neuen digitalen Zeitalters. Ähnlich wie beim Übergang in die Ära, in der jeder Mitarbeiter einen Computer haben musste, oder in die Zeit, in der man ohne Internet nicht mehr produktiv arbeiten konnte, steht eine große Transformation vor uns, die uns noch eine Weile beschäftigen wird, bevor sie echte Normalität ist.

Ob Copilot am jetzigen Beginn dieses Zeitalters schon genug Nutzen für ein Unternehmen mitbringt, unterscheidet sich stark und wie so oft kann es wichtiger sein, eine reflektierte, statt einer schnellen Entscheidung zu treffen. Eine zentrale Überlegung sollte dabei sein, ob es sich lohnt, individuelle Anwendungsfälle für allgemeine Tools wie Copilot zu entwickeln oder ob speziellere Lösungen mit klaren Anwendungsbeispielen derzeit mehr Nutzen für die diverse Belegschaft (Alter, Technologieaffinität, Veränderungsbereitschaft) bringen.

 

 

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